Pflegenotstand und kein Ende – Bundesverfassungsgericht soll entscheiden

Mit Herman Gröhe (CDU) ist nun der vierte Bundesgesundheitsmiunister in Folge mit dem Thema Pflegenotstand bzw. Pflegereform befasst. Daraus lässt sich leicht schließen, dass seine drei Vorgänger nicht zum erfolgreichen Abschluss gekommen sind. Der Sozialverband VdK will nun einschreiten und die Politik zum Handeln zwingen. Mittels einer Verfassungbeschwerde will der Verband Klage gegen „grundrechtswidrige Zustände“ erheben und damit die Regierung zwingen, 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung die lange angekündigten Reformen nicht weiter zu verschieben, sondern per Gesetz umzusetzen.

Ein Gesetz wird eingeklagt: Neuheit in Karlsruhe

Das Ziel dieser Klage ist nicht neu: Menschen sollen in Zukunft in Würde altern können. Viele Jahre haben Experten aus diversen Bereichen Kritik, Analysen und Diskussionen zum Themas Pflegenotstand geliefert – ohne jede Konsequenz. Nun hat der Sozialverband VdK jedes Veertrauen in die Politik verloren, es wird gehandelt statt weiter abzuwarten. Immerhin geht es darum, die Interessen von Millionen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen nicht nur zu vertreten, sondern durchzusetzen. Ein Mindeststandard von Pflege muss her, und dies gilt auch für die ständig steigende Anzahl von Demenzkranken. Um die Breite der Pflegeprobleme abzudecken, geht der VdK mit zehn Musterklagen vor das Bundesverfassungsgericht. Das Neue und Ungewöhnliche an diesem Vorgang: bislang wurde in Karlsruhe gegen bestehende Gesetze geklagt – nun gilt es, ein neues und grundrechtsschützendes Gesetz einzuklagen.

2 Meinungen von Lesern zu diesem Artikel


  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich begrüße Ihr engagiertes Handeln sehr! Im Rahmen Ihrer Bemühungen möchte ich Sie bitten, sich dem folgenden Sachthema zu widmen:
    Mein Mann ist nach einem Schlaganfall schwerst Pflege bedürfitig (Stufe 3) mit in hohem Maße eingeschränkter Alltagskompetenz. Ich pflege meinen Mann 24 Stunden rund-um-die-Uhr und kann daher nicht zusätzlich einer einkömmlichen Arbeit nachgehen. Während eine Pflegeeinrichtung 1.550 € plus 200 € für die Pflege im Minutentakt erhält, bekomme ich bekannter maßen nur 700 € und die zusätzlichen 200 € nur über einen Pflegedienst als Sachleistung abrufbar. Dies ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und treibt Pflegebedürftige und Ihre Angehörigen in die Armut!
    Bitte machen Sie Ihren Einfluß geltend, um diese Ungerechtigkeit zu beheben!
    Herzlichen Dank aus Berlin

    Gitta Schalthoff

  2. Das Problem von Frau Schalthoff ist nicht neu und durch und durch hausgemacht. Professionelle Pflegeanbieter erhalten eine höhere Vergütung als Pflegegeld gezahlt wird. Die Begründung ist scheinheilig und verlogen. Angehörigenpflege sei ehrenamtlich und es werde dem Pflegebedürftigen lediglich eine Aufwandsentschädigung gezahlt für eine selbst besorget Pflegehilfe. Die selbst besorgten Pflegehilfen sind zu 98% Angehöroge, in der Regel Ehepartner oder Töchter, die wie im Falle von Schalthoff auf die sicherung ihres eigenen Unterhalts verzichten müssen, wenn sie ihren pflegebedürftigen Angehörigen eben nicht ins Heim geben wollen oder können. Viele pflegende Angehörige pflegen aus finanzieller Notwenigkeit heraus selbst, weil sie den Eigenanteil im Heim nicht leisten können. 720 Euro Pflegegeld als „Entlohnung“ für Tag- und Nacht Bereitschaft, schwerste körperliche Arbeit zu jedem Zeitpunkt des Tages, schwere psychische Belastungen und dem schlechten Gewissen nicht genug für die pflegebedürftigen Angehörigen zu tun. 720€ Pflegegeld bei Pflegestufe 3 sind ein Schlag ins Gesicht aller pflegenden Angehörigen. 720 € reichen nicht einmal um eine „billige“ osteuropäische Hauswirtschaftskraft mit Pflegeanteil zu beschäftigen unabhängig davon ob sie legal oder illegal beschäftigt ist. Da werden Gesetze wie das Pflegestärkungsgesetz „aus dem hohlen Bauch heraus“ beschlossen und vollmundig bekannt gemacht. Leider wurden Überlegung zur Umsetzung dieser ach so tollen Verbesserungen in diesem Gesetz irgendwie im Freudentaumel über das scheinbar so gut gelungene Gesetz vergessen.
    Eine Anmerkung zu den 200€, die nur als Sachleistung eines Pflegedienstes abrzubar sind: Es gibt sehr wenig Pflegedienste, die Alltagbetreuung anbieten. Was nutzen den pflegenden Angehörigen 200€ Sachleistung, die nicht abrufbar ist, denn für Pflegeleistungen dürfen diese 200€ nicht hergenommen werden und Alltagsbetreuung können sie dafür nicht abrufen. Sieht chic aus nur haben weder die Pflegebedürftigen noch die pflegenden Angehörigen irgendetwas davon.

    Zuletzt möchte ich noch auf den Pflegenotstand eingehen. Herr Gröhe setzt auf die generalistische Pflegeausbildung und erwartet sich davon eine Behebung des Pflegenotstandes. Sicherlich auch in Krankenhäuser und Kliniken herrscht ein Mangel an Pflegekräften. Letztendlich wird die Altenpflege Verlierer dieser Generalisierung der Pflegausbildung sein. Bei Umfragen unter Pflegeschülern kam deutlich heraus, dass sich die Auszubildenden bei einer generalisierten Ausbildung über 90% für die Krankenpflege und gegen die Altenpflege entscheiden würden. Menschen, die sich heute für die Altenpflegeausbildung entscheiden, haben sich zu hundert 100% Für die Altenpflege entschieden. Quizfrage: „wo ist der Fehler?“ Weiter mit dem Pflegenotstand: Auf Grundlage des Pflegestärkungsgesetzes werden in 12 Wochen zu „Fachkräften“ als Alltagsbetreuer ausgebildet und an ihren Arbeitsplätzen oft zweckentfremdet eingesetzt. Statt sich darum kümmern zu können, dass die ihnen anvertrauten Personen besser mit ihrem Alttag im Heim zurecht kommen, müssen sie immer wieder in der Pflege aushelfen und sei es nur bei der Essensausgabe. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dieses Gesetz ist nicht so neu wie es erscheint, die entsprechenden §§ im SGB XI gab es schon, sie wurden lediglich weiter mit Maßnahmen unterfüttert.

    Ich wünsche dem VDK viel Erfolg für seine Klage und falls Sie Ideen brauchen was im Hinblick auf Altenpflege noch einzuklagen wäre. Ich könnte noch einige Ideen bieten.

    Sibylle Weis, 90766 Fürth